Es ist 5.00 Uhr morgens, als mich die Sonne aus dem Zelt treibt. Die morgendliche Luft ist noch frisch, doch die Sonne ist schon stark genug, unser Zelt ordentlich aufzuheizen. Der rote Zeltstoff färbt den gesamten Raum in tiefes orange und passt irgendwie zu diesen saunaähnlichen Temperaturen im Zelt. Unser Zelt steht etwas abseits der Straße an einem kleinen See. Die Landschaft ist steinig und karg und nur wenige Bäume bieten ein wenig Schatten. Unser Zelt bekommt von diesem nichts ab.

Zum Strand sind es nur fünfzehn Minuten Fußweg. Begleitet werde ich von dem stetigen Zirpen der Grillen, dem Summen der Hummeln und Bienen, dem Zwitschern der Vögel und der morgendlichen Brise, die sanft durch die Blätter der Bäume weht. Während mir die Sonne ins Gesicht strahlt, fällt mir der folgende Spruch von Pipi ein und ich frage mich, warum ich eigentlich nie öfters so früh die Natur genieße. 

Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, um einfach nur dazusitzen und vor sich hinzuschauen!

Pipi Langstrumpf (Astrid Lindgren)

Das Meer sehe ich schon von weitem in der Sonne glitzern. Es ist sanft durchbrochen von kleineren und größeren Kalksteintürmen, den Raukar. Auf einem kleineren Exemplar mache ich es mir gemütlich, genieße die atemberaubende Aussicht und lasse mir die Sonne um die Nase spielen. Neben mir finden sich lediglich ein paar Möwen, die so wie ich die morgendliche Sonne zu genießen scheinen.

Gotland bedeutet für mich Entschleunigung. Kaum an einem anderen Ort fällt es mir so einfach abzuschalten, mich treiben zu lassen. Das hier ist meine ganz eigene Liebeserklärung an das Ostseejuwel.

Ein Schritt in die Vergangenheit – Visby

Visby ist bekannt für seine Rosen, Kirchenruinen sowie die beeindruckende Altstadt. Letztere mag manch einer vielleicht aus den alten Pipi Langstrumpf Filmen wiedererkennen. Ihren Charm entfaltet das Städtchen vor allem beim Bummeln durch die alten Gassen, beim gemütlichen Kaffee in einem der vielen Cafes oder bei gutem Essen mit Blick auf die alten Häuser, Kirchenruinen oder hinaus auf die Ostsee. Auf den Tellern findet man besonders häufig Lamm sowie Fisch und Meeresfrüchte – für beides ist Gotland berühmt.

Visbys turbulente Vergangenheit

Die ehemalige Hansestadt kann auf eine ereignisreiche Vergangenheit zurückblicken. Bereits zu Zeiten der Wikinger wurde die Ostseeinsel durch ihre zentrale Lage zu einer der wichtigsten Handelsorte, was durch zahlreiche Funde belegt wird. Nirgends sonst in Skandinavien wurden mehr Münzen oder andere Schätze aus dieser Zeit gefunden. Einige davon lassen  sich im ‚Gotlands Museum‘ in Visby bestaunen. 

Ab dem 12. Jahrhundert wuchs Visby zu einer der bedeutendsten Städte und zum Zentrum des Ostseehandels heran. Das brachte der Stadt einiges an Reichtum ein, machte sie jedoch auch zu einem begehrten Ziel für Invasionen, sowohl aus dem ländlichen Umland, als auch von Übersee. 

Die Altstadt, wie man sie heute bewundern kann, hatte man bereits im 19. Jahrhundert praktisch komplett mit ihrer 3,5 km langen Ringmauer unter Denkmahlschutz gestellt. Seit 1995 zählt die Stadt zudem zum UNESCO Weltkulturerbe. 

Satdtbummel durch Visbys geschichtsträchtige Gassen

Am besten erkundet man Visby bei einem Stadtbummel. Beim Spaziergang durch die alten Gassen fühle ich mich wie auf einer Reise in die Vergangenheit. Jedes Haus erzählt seine eigenen Geschichten und aus jeder Ecke weht ein Hauch dieser entgegen. Ich kann nicht anders als alle paar Meter innezuhalten, um die alten Häuser zu bestaunen. Neben den mehr als 100 Häusern aus dem 12. – 14. Jahrhundert sowie einigen klassische Holzhäusern aus dem 18 Jahrhundert fallen vor allem die vielen Kirchenruinen ins Auge. In Visby befanden sich einst um die 14 Kirchen, heute sind diese entweder zu Ruinen verfallen oder gänzlich verschwunden. Lediglich der Dom aus dem 13. Jahrhundert ist noch erhalten. 

Ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert stammt die 3,5 km lange Stadtmauer. Sie bietet einen der besten Spots der Stadt um bei einer Flasche Wein und ein paar Shrimps den Sonnenuntergang zu genießen.

Entlang der Westküste nach Fårö

Nach zwei Tagen in Visby fahren wir entlang der Westküste in Richtung Norden. Nach nur wenigen Kilometern biegen wir auf eine kleine Schotterstraße ab. Es sollten nicht die zwei Stunden werden die Google uns für die Fahrt nach Fårö veranschlagt hatte. Stattdessen werden wir die kleine Insel im Norden erst am folgenden Tag erreichen. Die Straßen schlängeln sich am Strand entlang, kleine Hügel hoch und wieder hinunter, vorbei an alten und neuen Fischerhütten. An vielen Stellen halten wir inne, um die traumhaften Aussichten zu genießen.

Sigsarve Strand

Die wohl spektakulärste erwartete uns bei Sigsarve Strand. Der Gotlandsleden führt hier vorbei. Auf der einen Seite des Strandes führt der Pfad die steilen Klippen hinunter, über den Strand, an ein paar alten Fischerhütten vorbei und auf der andern Seite schlängelt sich der Weg die Klippen wieder nach oben. Von oben genießt man eine herrliche Aussicht über den verborgenen Strand, die steilen Klippen und die Ostsee. Der Anblick hat uns buchstäblich die Sprache verschlagen und uns nicht mehr losgelassen. Daher Kaffeekocher raus, Picknickdecke ausbreiten und genießen. Manchmal ist es einfach genug nur dazusitzen und gemeinsam schweigend die Schönheiten dieser Welt zu bestaunen. 

Die Insel Fårö

Zurück auf den kleinen Schotterstraßen führt uns unser Weg am nächsten Tag auf die Insel Fårö. Farö ist karger und wilder als Gotland. Die kleine Insel im Norden strahlt ihre ganz eigene Faszination aus. Wer nach Gotland kommt sollte dieses Juwel keinesfalls verpassen. Regelmäßig legt eine kleine Fähre von Fårösund ab. Nach wenigen Minuten legt sie auf Fårö an.

Die Raukar von Fårö

Auf Fårö gibt es einige der bekanntesten und beeindruckendsten Raukar. Wie die ganze Insel sind diese kargen Kalksteintüme – modelliert durch Wind, Wetter und Wellen – Zeitzeugen der langen Vergangenheit der Insel. Die bekanntesten finden sich bei Gala Hamn, Digerhuvud und Langhammers.

Neben mehreren Steinständen, über welche diese beeindruckenden Kalksteintürme wachen, bietet Gotland auch einige traumhafte Sandstrände. Wer sich im Gegensatz zu mir nicht als Frostbeule bezeichnen würde kommt hier definitiv auf seine Kosten. 

Kulinarisches Fårö

Kulinarisch kann auch das kleine Fårö mit so einigem aufwarten. Ein Klassiker ist sicherlich Kutens Bensin & Crêperie Tati. Die kleine Crêperie hat sich in einer alten Tankstelle eingerichtet. Neben einer ausgezeichneten Küche für Crêpes und Galettes stellte diese spezielle Location ein kleines Museum dar. Auf dem gesamten Gelände finden sich alte Fahrzeuge der vergangenen Jahrzehnte. Der perfekte Ort also, um wieder etwas Energie zu tanken.

Gotland und vor allem Fårö sind berühmt für ihre Lämmer. Nachdem wir bei unserem ersten Besuch kein Lamm probiert hatten, stand das bei unserem zweiten Besuch ganz oben auf der To Do Liste. Beim recherchieren haben wir so das Restaurant „Fårögården“ entdeckt. Das Restaurant befindet sich in einem ehemaligen Stall und hat einen herrlichen Außenbereich in welchem man fantastisch die Abendsonne genießen kann. Neben sehr gutem Essen bietet Fårögården auch Übernachtungsmöglichkeiten und Kaffee aus eigener Rösterei.  

Im Osten Gotlands in Richtung Süden

High Season erst ab Mitte Juni

Nach zwei Tagen auf der Insel Fårö nehmen wir die Fähre zurück nach Gotland. Der Nordosten der Insel ist uns auf unserer ersten Reise besonders in Erinnerung geblieben, denn wir hatten hier damals drei unserer absoluten Lieblingsorte entdeckt:

  • Bungenäs Kalklådan – ein Restaurant auf dem Gebiet eines ehemaligen Kalkbruchs und aufgegebenen Militärgelände. Autofrei, am Eingang kann man sich ein paar Fahrräder leihen, wenn man nicht zu Fuß gehen möchte.
  • Rute Stenungsbageri – eine kleine Bäckerei, in der in einer ehemaligen Schmiede fantastisches Brot, Zimtschnecken und abends auch fantastische Pizzen gebacken werden. Bei gutem Wetter lässt es sich hier im Garten gemütlich schlemmen und bei gutem Kaffe und Bullarna abschalten.
  • Furillen – auf der Insel direkt vor der nordöstlichen Küste Gotlands befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen Kalkbruchs ein Designhotel. Selbst wenn man hier nicht übernachtet lohnt sich ein Spaziergang um die Insel und durch den alten Kalkbruch. Ein wenig kommt man sich hier vor als hätte man eben den Mond betreten.

Bungenäs Kalklådan und Rute Stenungsbageri hatten in diesem Jahr allerdings noch geschlossen. Gotland ist besonders mit seinen warmen und sonnenreichen Stunden im Sommer beliebt. Dann zeiht es viele Schweden vom Festland auf die Insel. Deswegen sind viele Geschäfte und Lokale auch nur in den Sommermonaten geöffnet. Die Insel, wie wir dieses Mal, Ende Mai / Anfang Juni zu besuchen hat den Vorteil, den Touristenströmen weitest zu entkommen. Viele der berühmten Sehenswürdigkeiten wie Langhammars hatten wir für uns oder mussten diese mit nur sehr wenigen anderen teilen. Auch Visby war bei unserer zweiten Reise um einiges ruhiger und entspannter. Allerdings waren dadurch zwei unserer drei Nordost Favoriten Anfang Juni auch noch geschlossen. 

Von Fårösund ging es für uns in diesem Jahr daher direkt weiter in Richtung Süden, immer entlang der kleinen Küstenstraßen.

Das Naturreservat Grogarnsberget

Das Naturreservat Grogransberget erreicht man über eine dieser kleinen Straßen. Nach einem kurzen und einfachen Aufstieg, bietet sich eine fantatstische Aussicht über Gotlands Ostküste. Die ehemalige Höhenburg ist die viert größte vorgeschichtliche Wallburg Skandinaviens. Erahnen lassen sich noch ein paar Steinmauen. Die Lage bot den Menschen optimalen Schutz aufgrund der auf drei Seiten 30 m aufragenden Klippen. Das macht das heutige Naturreservat zu einem phänomenalen Aussichtspunkt um sich bei einem selbstgebrühten Kaffee die Sonne um die Nase spielen zu lassen. Nur ein paar Kilometer weiter sollte man bei Sysne Fiskbutik unbedingt einen kleinen Stop zur Stärkung einlege.

Das Naturreservat Närsholmen

Um bei den Naturreservaten zu bleiben: Gefallen hat uns auch das kleine Naturreservat Närsholmen, ich hatte mich noch nie recht für Vögel interessiert, aber hier lohnt es ein Fernglas einzupacken, wobei ich zugeben muss, dass das auch auf viele weitere Orte auf Gotland oder Fårö zutrifft. Zu nah an die brütenden Zeitgenossen sollte man jedoch nicht heran, wenn man nicht dem ein oder anderen aggressiven Exemplar begegnen möchte. Während wir aufs Meer blicken verschwindet in unseren Rücken langsam die Sonne und taucht dabei ein Meer von flauschigen Pusteblumen in tiefstes Orange.

Gotland Blog Post-39

Alte Steinhügelgräber und die besten Zimtschnecken Schwedens – Zurück nach Visby

Unsere letzte Etappe führt uns vom Naturreservat Närsholmen zurück in den Westen der Insel und wieder nach Visby. Uppgarde Rojr ist das höchste Steinhügelgrab Gotlands und einer unser Zufallsfunde auf dieser Reise. Das Grab stammt aus der Bronzezeit (1800-500 v Chr.), hat einen Durchmesser von 50 Metern und eine Höhe von 7 Metern. Neben diesem finden sich noch einige kleinere Gräber in der näheren Umgebung. Kleine Hinweistafeln weihen einen in die Geschichte der Gräber und die Menschen der damaligen Zeit ein. Die Gräber selbst verstecken sich ein wenig abseits der Parkmöglichkeiten hinter einigen Biegungen und Bäumen. Ein kleiner Trampelpfad weist den Weg. Staunend und ehrfürchtig hat uns Gotland einmal wieder in die Vergangenheit katapultiert und uns völlig fasziniert. 

Auch eher zufällig führt unser Weg nach Klintehamn und dort zur Bäckerei Warfsholm. Die Suche nach einem guten Brot fürs Abendessen führt uns hierher, den Zimtschnecken konnte ich selbstverständlich nicht widerstehen. Zum Glück, denn hier habe ich die bisher besten Zimtschnecken überhaupt gegessen. Ich kann von mir behaupten schon so einige probiert zu haben. Auch das Brot ist sehr empfehlenswert und hat mein kleines deutsches Brotherz höher schlagen lassen.

Südlich von Visby wartet dann nochmals ein phänomenaler Aussichtsplatz auf uns, bevor wir für einen letzten Abend nach Visby zurückkehren. Morgen geht es zurück auf das schwedische Festland. Högklint ist ein Abstecher wert.

Kunsthandwerk, lokales und jede Menge gutes Essen

Kunsthandwerk und lokale Produzenten

Nicht nur uns begeistert diese Insel, sie scheint auch die Phantasie und Kreativität vieler Künstler und Kunsthandwerker anzuregen. Daneben können eine Reihe kleiner Betriebe mit vielfältigsten lokalen Produkten entdeckt werden. Die Vielfalt reicht von einem kleinen Pralinenladen auf einer Farm über lokale Wollprodukte, Keramik bis hin zu einer kleinen Kerzen“fabrik“, bei der wir unsere Kerzen gleich selbst verzieren konnten. Es lohnt sich die Augen offen zu halten und bei dem ein oder anderen Schild abzubiegen und sich überraschen zu lassen. Wir haben so des Öfteren wirklich tolle Läden und nette Menschen getroffen, die mit viel Freude und Entusiasmus ihre Herzensprojekte verfolgen und über ihre Schätze berichten.

Restaurants, Bäckereien, Imbisse und lokales Händler

Neben der Fülle an kleinen Butiken und Werkstädten bietet Gotland auch phänomenales Essen. Fisch und Meeresfrüchte spielen auf Gotland, das eine lange Fischereitradition pflegt, eine große Rolle. Neben den typischen Fischrestaurants verkaufen auch kleine Fischläden in den Dörfern Snacks und Essen zum mitnehmen. Es lohnt sich geräucherten Fisch oder Shrimp einpacken zu lassen und es sich mit einem frischen Laib Brot am Meer gemütlich zu machen.

Zudem verkaufen viele Farmen ihre Produkte. Tomaten, Eier, Spargel, Kartoffeln – hier findet sich alles was die Farmen saisonal abzugeben haben. Meist zu sehr passablen Preisen.

Neben dem Fisch ist Gotland vor allem für seine Schafe berühmt. Wohl schon die Wikinger züchteten diese hier und so zeigt selbst die Flagge der Insel ein Schaf. Schafsherden sind uns während unseres Roadtrips regelmäßig begegnet. Wer gerne Lamm isst, sollte definitive eines der vielen Restaurants besuchen, die Lamm traditionell auf ihrer Speisekarte führen.  

Organisatorisches, Tipps und Tricks

Anreise – Von Schweden fahren von 3 Häfen regelmäßig Fähren nach Visby: Västervik, Nynäshamn und Oskarshamn. Zudem gibt es zweimal wöchentlich eine Fähre von Rostock nach Vibsby. 

Mapapp Gotland – diese Karte ist die digitale Version der Touristenkarte, die es auch im Touristenbüro in Visby gibt und bildet sowohl Visby, als auch Gotland und Fårö ab. Der Vorteil der digitalen Version sind die detaillierten Beschreibungen der einzelnen Sehenswürdigkeiten, die es sowohl zu lesen, als auch als Audioguide gibt.

Öppet Gotland – diese Karte bietet eine Übersicht über lokale Butiken, Künstler, Kunsthandwerker, etc. Sie liefert damit nicht nur einen tollen Überblick über die Vielfalt, sondern auch genaue Infos zu den Öffnungszeiten.

Die schönsten Juwelen entdeckt man abseits der Hauptruten. Es lohnt sich, nach den kleinen Seitenstraßen Ausschau zu halten sowie nach Schildern am Straßenrand, die freundlich auf allerlei 

sa.strittmatter
Author

Ich bin Sarah. Geboren 1990 im Süden von Deutschland an der Grenze zur Schweiz. Nach dem Abi hat es mich ins Ausland gezogen für ein Jahr nach Lesotho. Zwischen Bachelor uns Master war ich dann in Südostasien reisen und habe meinen Master schlussendlich in Schweden gemacht. Nach einigen Jahren im Berufsleben, habe ich mich dann in ein Abenteuer gewagt und habe mit meinem Freund unseren Camper ausgebaut und nach Südamerika verschifft. Seither erkunden wir gemeinsam mit viel Abenteuerlust und Neugierde diesen wunderschönen Kontinent.

Write A Comment

WordPress Cookie Plugin by Real Cookie Banner